Eine unendliche (Sofa) Geschichte

Ende 2009:
Ich setze mich auf's Sofa, es knackt gewaltig, irgendwie sitze ich tiefer als sonst...??? Vordere Kante durchgebrochen, notdürftige Reparatur durch darunter geklemmte Holzlatten, die glücklicherweise durch die Husse verdeckt werden. Das hält erstmal, bis was Neues gefunden ist.

Ende 2009 bis Mitte Mai 2010:
Die Erkenntnis, dass mal eben ein neues Sofa kaufen nicht so einfach ist, wächst täglich. Favorit wäre das alte Modell in neu. Gibt's aber nicht mehr. Egal in welchem Preissegment man sich umsieht, normale Sofas an sich scheinen heutzutage eine Rarität geworden zu sein. Wer keine "Wohnlandschaft" oder wenigstens ein Ecksofa will, hat extrem begrenzte Auswahl, die so gar nicht begeistern kann, sondern im besten Fall ein "Naja, mal sehen, lass erst mal weiter suchen" entlockt.

Mitte Mai:
Hab' die Faxen dicke, es muss JETZT ein neues Sofa her. Sofort. Ich kann das kaputte Ding, das auch noch Flecken abbekommen hat, jetzt nicht mehr sehen. Ikea hat ein neues Modell im Internet, das eine Livebesichtigung im Möbelhaus wert sein könnte.

Freitag, 21. Mai 2010:
Ab zu Ikea. Modell Kivik besichtigt. Nicht das Traumsofa aber als Preisleistungs-jetzt-muss-sofort-was-passieren-Kompromisssieger befunden. Blauen Bezug gewählt, weil der ja gar nicht blau ist, sondern grau. Sofa an der Warenausgabe erhalten, hin zum Transportservice:
"Wir können Ihnen eine Liefertermin am Dienstag nach Pfingsten anbieten"
"??? Äh, was??? Nee, morgen...Samstag, deshalb sind wir doch heute am Freitag hier...???
"Nein, für morgen sind keine Liefertermine mehr frei, das geht erst nach Pfingsten"
"Aber das ging doch IMMER noch für Samstags, selbst wenn man Freitags um kurz vor 21.00 Uhr hierher kommt"
"Tut mir leid, erst nach Pfingsten"
Das nachfolgenden Wortgefecht, bei dem Mr. Perfect sein perfect verlor und bewies, dass er seine Aggressionen nicht immer so recht im Griff hat, lass ich hier mal lieber weg.
-> Transporter bei Ikea gemietet, Sofa nach Hause gekarrt, Transporter betankt, zurück zu Ikea, halbe Stunde am Transportservice gewartet, um Miettransporter wieder abzugeben, eigenes Auto auf Ikea Parkplatz gesucht, doch noch gefunden, zurück nach Hause, aufkeimende Zweifel wegen gewählter Farbe des Sofabezugs, total genervt, Aufbauarbeiten auf morgen verschoben.

Samstag, 22.Mai 2010:
Ausgeschlafen frisch ans Werk. Zuerst muss das altes Sofa weg. Nach Überdenken aller Möglichkeiten wurde die "Sofa in Einzelteile zerlegen und zum Recyclinghof bringen" Methode gewählt. Haken an der Variante ist der begrenzte Stauraum im Kleinwagen Cabrio, das eigentlich für diese Art Auto schon ein recht ansehnliches Kofferraumvolumen hat. Mr. Perfect zerlegt das alte Möbel, ich karre zum Recyclinghof. Vier Mal:

- Erste Fahrt: Die Zufahrtstrasse ist noch recht leer, der übliche "Ich will deine alten Elektrogeräte" Typ springt mir kurz vor der Einfahrt mit seinem handgemalten Pappschild vor den Wagen, nur kurze Wartezeit bis ich mich bis zum Sperrmüllcontainer vorarbeiten kann. Will gerade die erste Ladung aus dem Kofferraum in den Container werfen...

"Stopp, das ist gebührenpflichtiger Hausmüll"
Och nö, echt jetzt nicht auch noch sowas
"Nein, das ist ein Sofa, also Teil eines Sofas"
"Gebührenpflichtiger Hausmüll, das darf da nicht rein"
"Das ist ein Sofabezug!!!"
"Gebührenpflichtiger Hausmüll!"
Ruhig bleiben, ruhig bleiben, ruhig bleiben
"Aha, und Sofapolster mit Bezug?"
"Das wär' Sperrmüll, das darf da rein"
"Sofapolster mit Bezug dürfen und Bezüge, denen die Polster entnommen sind, dürfen nicht???"
"Genau, das ist gebührenpflichtiger Hausmüll!"
"Nee, is klar"
Ruhig bleiben, ruhig bleiben, ruhig bleiben, nicht aufregen, nicht aufregen, nicht aufregen...Ich packe meine polsterlosen Bezüge wieder in den Kofferraum, werf meine Polster mit Bezug ungehindert in den Container und bin weg.

- Zweite Fahrt:
Elender Stau auf der Zufahrtstraße, kurz vor der Einfahrt springt mir der übliche "Ich will deine alten Elektrogeräte" Typ mit seinem handgemalten Pappschild vor den Wagen, elende Wartezeit bis ich mich bis zum Sperrmüllcontainer vorarbeiten kann, mit Hilfe einer freundlichen Recyclinghofmitarbeiterin wuchte ich zersägte Sofateile in den Sperrmüllcontainer, alles ist gut.

- Dritte Fahrt:
Elender Stau auf der Zufahrtstraße, kurz vor der Einfahrt springt mir der übliche "Ich will deine alten Elektrogeräte" Typ mit seinem handgemalten Pappschild vor den Wagen...Ist der blöd? Ich komme hier jetzt zum dritten Mal innerhalb von weniger als zwei Stunden vorbei. Kann der sich nicht merken, dass es bei mir nichts zu holen gibt? Elende Wartezeit bis ich mich bis zum Sperrmüllcontainer vorarbeiten kann, ich parke gewissenhaft so, dass ich niemanden am durch- oder wegfahren hindere, öffne meine Kofferraum...
"Hallo?" (die Beifahrerin aus dem Kombi neben mir ruft durch's geöffnete Seitenfenster)
"Ja?"
"Wir wollen hier gleich weg"
"Ja und?"
"Fahren Sie da mal weg"
"Wieso?
"Da kommen wir nicht durch"

Ich gehe zwei Schritte vor, um mich zu vergewissern, dass ich wirklich genug Platz gelassen habe.

"Doch, das passt locker"
"Nein, fahren Sie da gefälligst weg!"
"Da passt noch ein LKW durch!"
"Sie fahren da jetzt sofort weg!!!!!"
"Mädel, kauf' dir 'ne Brille"

Von hasserfüllten Augen aus dem Kombi verfolgt,laufe ich dreimal mit meinen zersägten Sofateilen vom Kofferraum zum Container und zurück, setze mich in den Wagen, flöte der immer noch wartenden Beifahrerin einen "Schönen Tag noch!" durch's Fenster zu und bin weg.

- Vierte Fahrt:
Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Bin gerade zum zweiten mal durch das metertiefe Frostschlagloch geknallt, obwohl ich doch eigentlich ganz genau weiß, dass es da ist. Ganz übles Geräusch. Kann endlich mal jemand dieses Loch zumachen? Ist doch jetzt wohl schon genug Zeit vergangen seit dem Frost. Ein kaputtes Auto kann ich jetzt wirklich nicht auch noch brauchen. Elender Stau auf der Zufahrtstrasse. Wenn mir jetzt gleich wieder dieser dämliche Typ mit seinem Pappschild vor den Wagen springt flipp ich aus... Huch, was das denn? Pappschildtyp kommt nicht gesprungen, ist beschäftigt. Hat doch tatsächlich jemand angehalten und fischt alte Elektrogeräte aus dem Kofferraum. Bin fast enttäuscht, hab' gedacht ich könnte ihn wenigstens mal dafür anhupen, dass er mir zum vierten mal heute vor's Auto springt. Elende Warteschlange bis zum Sperrmüllcontainer, laufe mit dem ersten Teil meiner letzten Fuhre auf den Container zu...

"Sie sind ja schon wieder da."
"Und?"
"Sie dürfen höchsten einmal am Tag herkommen."
"Wie bitte?"
"Nur einmal pro Tag."
"Ich entsorge hier ein einziges Sofa!"
"Macht nix, nur einmal pro Tag!"
"Das kann ja wohl nicht ihr Ernst sein! Hier stehen Leute mit riesigen Transportern und gemieteten Anhängern und entsorgen den Hausrat von ganzen Wohnblöcken. Ich habe nur ein einzelnes Möbelstück, das aber eben nicht auf einmal in mein winziges Auto passt."
"Egal, nur einmal am Tag!!"

Meine Nullpunktstimmung erhitzt sich gerade auf den Siedepunkt und ich habe nicht übel Lust, dem Kerl meine Sofareste an den Kopf zu werfen, statt in den Container. Die Mitarbeiterin, die mir vorhin geholfen, hat macht ein betretenes Gesicht und eine unauffällige beschwichtigende Handbewegung, die mir wohl bedeuten soll, ruhig zu bleiben und mein Zeug einfach in den Container zu werfen. Ich beherrsche mich, werf' das Zeug in den Container und murmele nur ein unverständliches "Vollidiot" in mich hinein.

"Wie war das"
"Nichts"

Ich entferne mich, hole den allerletzten Teil meines alten Sofas aus dem Auto und bringe ihn zum Container

"Sie dürfen aber nur einmal am Tag herkommen"

Wortlos werfe ich mein letztes Teil in den Container

"Das ist so"

Ich presse ein

"Da streite ich mich nicht drüber, das ist mir zu blöd"

zwischen den Zähnen hervor und rausche zum Wagen, bevor ich doch noch die Beherrschung verliere und den Kerl selbst in Container kippe. Gut, dass ich alleine hier bin. Vermute Mr. Perfect hätte sein perfect komplett vergessen und seinem tief sitzenden Unmut über deutsche Korinthenkackerei mal so richtig freien Lauf gelassen.

Und nein, die Geschichte ist noch nicht zu Ende...